Tourenbericht

Kalymnos – das Paradies für sonnenhungrige Kletterer

Verfasst von
06.11.2025

Kalymnos als Kletterdestination zu beschreiben, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Und daran bin ich nicht ganz unschuldig. Vor bald 20 Jahren begann ich zusammen mit Peter Keller, systematisch einfache Routen perfekt abzusichern und aufwendig von losen Steinen und Sträuchern zu befreien. Damit machten wir den Weg frei für das vielleicht bedeutendste Plaisirgebiet der Welt.

Ein Jahr später kamen wir zurück und zapften das gewaltige Potential für Mehrseillängenrouten an. Mittlerweile gibt es über 6000 Sportkletterrouten, doch die Erschließung von Mehrseillängenrouten ist noch lange nicht abgeschlossen. Auch ich habe mir fest in meiner Agenda vermerkt, dass ich beim nächsten Aufenthalt eine weitere Genusstour erschließen möchte.

Bis dahin wünsche ich viel Spaß mit dem originalen Tourenbericht aus 2008. Vieles hat sich seither auf Kalymnos verändert, aber die Faszination dieser Insel ist geblieben. Spätestens wenn auch du bei einem Ouzo aufs Meer hinaus blickst und den Geruch von Thymian und Salbei in der Luft riechst, wirst du vom Virus infiziert, der dich immer wieder in diese kleine Welt von griffigen Tropflöchern, steilen Routen an Stalaktiten und glühenden Sonnenuntergängen in den Tavernen zurückkehren lässt.

Text von Urs Odermatt, 20. April 2008

 

Die ersten Tage auf Telendos

Nach sechs Tagen schauen unsere Hände aus wie durch den Fleischwolf gedreht. Die Muskeln brennen, unsere Hüften sind vom Klettergurt wund gescheuert. Big Wall klettern? Nein, eher Small Wall. Innerhalb einer Woche richten wir auf Telendos fast 50 Sportkletterrouten von 3c bis 8c ein. Wir helfen der Nachbarinsel von Kalymnos, mit dem Klettersport den Tourismus anzukurbeln. Wer jetzt glaubt, das sei ein Ferienjob, darf gerne mal mitkommen und uns dabei unterstützen, Felsbrocken aus der Wand zu räumen, Löcher zu bohren und Stachelsträucher zu entfernen. Viel Zeit zum Klettern bleibt da nicht – und Kraft sowieso keine mehr.

Am Samstag ist der Klettersektor IROX fertig eingerichtet. Giannis, unser Kapitän, hat schon am Montag angekündigt, dass wir das heute Abend feiern werden. Von Abend kann keine Rede mehr sein, als wir gegen fünf Uhr früh unser Boot erreichen. Vielleicht liegt es daran, dass Giannis unterwegs seine Uhr verloren hatte? Egal – das Handy verliert er, als er vom Steg ins Wasser fällt, und als er es endlich ins Boot schafft, tritt er auf seine Sonnenbrille. Immerhin hatte der Poller unser Auto am Steg gestoppt, sonst wären wir alle miteinander baden gegangen…..


Ein Jahr später

Ein Jahr später, gleicher Ort. IROX ist zum Renner geworden. Giannis hat sich ein neues Boot angeschafft, mit dem er die Kletterer in kürzester Zeit direkt unter die Wand bringt. Der Sektor erfreut sich so großer Beliebtheit, dass wir auch dieses Jahr zum Routenbohren zurückkehren.
Nach den Anstrengungen des letzten Jahres wollen wir es diesmal etwas ruhiger angehen. Auf der Südseite der Insel steht eine rund 200 Meter hohe Wand. Hier wollen wir eine schöne Genussroute eröffnen – Arbeit für Ruhetage, dachten wir.
Völlig klar, dass wir uns irrten. Rund elf Seillängen braucht es, um dieser fantastischen Wand ihre erste Route abzuringen. Mit gerade einmal 14 Bohrhaken klettern wir die Tour zuerst im Alpinstil, um zu sehen, ob sich die Erschließung überhaupt lohnt.


Wings for Life

Auf dem Gipfel angelangt, wäre der alpine Teil abgeschlossen – die Arbeit, die folgt, lässt alle Hoffnungen auf einen ruhigen Aufenthalt schwinden. 250 Klettermeter müssen geputzt und abgesichert werden.
Echte Alpinisten werden jetzt einwenden, dass es unethisch ist, die Tour nachträglich mit so vielen Bohrhaken abzusichern. Aber um es gleich vorwegzunehmen: In der Ägäis gibt es keine Bergrettung. Die Bergung eines Verletzten aus dieser freundlichen Südwand wäre deutlich komplizierter als eine Rettung aus der Eigernordwand.
Aus diesem Grund rüsten wir die Tour mit 100 Bohrhaken perfekt aus. Dazu gehört für uns auch, alle gefährlichen Blöcke zu lösen, lose Steine zu entfernen und schlussendlich mit einer Bürste den Dreck von den Griffen zu putzen. Hört sich seltsam an – ist aber wahr.
Nach drei Tagen schweißtreibender Arbeit und unzähligen Beteuerungen, dass dies das letzte Mal sei, wo wir uns so etwas antun, ist die Tour endlich bereit. „Wings for Life“ folgt einem Begrenzungspfeiler entlang einer gigantischen Höhle. Im oberen Teil führt sie dann direkt über gewaltige Überhänge durch eine Zone aus Wasserlöchern und „Chickenheads“ – ausgesetzter geht es kaum. Kaum zu glauben, dass die Schwierigkeiten 5c nie übersteigen. Perfekt abgesichert, mit einmaliger Sicht aufs Meer und hinüber nach Kalymnos.


Heute

Mittlerweile hat sich die Route zum Megaklassiker entwickelt und zählt über 1000 Wiederholungen. 2010 fügten wir die etwas schwierigere, aber noch schönere Route „Wild Country“ hinzu. Beide Routen klettern wir sehr gerne mit dir während der Kalymnos-Kletterwochen in unserem Tourenprogramm.

Impressionen